Die SPD und ihre Werte – Zusammenfassung

Foto: SPD (links) und ihre Werte (rechts)

politik-im-raum und das netzwerk-gemeinsinn hatten zu einer politischen Aufstellung eingeladen:

Wohin geht die SPD?

Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum abgebildet: Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die Dynamiken im System werden sicht-und erlebbar. Hier steht die Einladung


Wir beginnen den Abend mit Stellung-Nehmen im Raum: In der Mitte liegt eine rosa Scheibe, die die SPD repräsentiert.

Wie nah/fern fühlen sich die Anwesenden der SPD?

Drei der Teilnehmenden platzieren sich ganz nah der Mitte: Sie sind aktuelle bzw. ehemalige Funktionäre. Den Werten der Partei fühlen sie sich eng verbunden. Mit der Parteipolitik und -struktur hadern sie manchmal.

Die meisten Anwesenden wählen einen mittleren Abstand zur Scheibe. Sie beschreiben sich teils als sympathisierend, teils als neugierig anteilnehmend.

Zwei wählen Plätze weit außen: Einer war mal Mitglied einer lokalen Fraktion und hat die gegenseitige Zerfleischung zweier Ortsfraktionen erlebt, obwohl er sie verhindern wollte. Seitdem hält er Abstand.

Nach diesem Einstieg

sammeln wir Fragen bzw. Thesen, die uns für den Abend leiten könnten:

  • Es braucht was Neues!
  • Wie können die SPD-Erfolge wahrgenommen werden?
  • Die SPD hat hehre Ziele – aber Schwierigkeiten mit der Macht, wenn’s ums Umsetzen geht.
  • Wie kann ein Paradigmenwechsel in der Politik, von Konkurrenz zu Kooperation aussehen?
  • Wir brauchen mehr Politik jenseits von Parteien!
  • Die SPD sollte ihr Leitbild überarbeiten, Ziele konkretisieren und priorisieren!
  • Es braucht Parteien als Plattform, damit Menschen sich artikulieren können.
  • Die sich nicht gesehen Fühlenden: Was müsste die SPD vertreten, um von ihnen gewählt zu werden?

Da diese Fragen sich nur zum Teil auf die SPD, zum Teil auf die gesamte politische Landschaft beziehen, bitte ich nochmal um Stellungnahme im Raum, ob wir für die Aufstellung bei der SPD bleiben oder das Thema erweitern sollten. Das Ergebnis ist eindeutig: bleiben bei der SPD.

Ohne noch weiter Fragen zu schärfen,netzwerk-gemeinsinn

bestimmen wir die Elemente, mit denen wir starten wollen:

  • Wir (engagierte, interessierte BürgerInnen),
  • die sich nicht gesehen Fühlenden,
  • die SPD,
  • die SPDler (sowohl WählerInnen wie FunktionärInnen),
  • die Werte der SPD.

Später dazu:

  • die Macht,
  • das Neue.

Im ersten Bild

bezieht die SPD direkt neben Wir Stellung. Sie sagt, das Wir sei Teil von ihr, Fundament. Das Wir hingegen fühlt sich wichtiger als die SPD,  möchte mehr Distanz, empfindet diese Nähe als unangemessen und unangenehm.

Die sich nicht gesehen Fühlenden steuern das andere Ende des Raums an, so weit weg wie möglich. Zuerst wenden sie dem Wir und dem Geschehen den Rücken zu, vor ihnen eine Pinnwand, die mit braunem Packpapier bespannt ist. Die können sie allerdings nicht sehen, sie haben die Augen geschlossen, hören nichts, fühlen sich kraftlos. Das Erscheinen der SPD bringt sie dazu, die Augen zu öffnen und sich dem Geschehen etwas zuzuwenden.

Die SPDler wählen eine seitliche Position. Sie sind dem Wir am nächsten, können alle sehen, haben aber wenig Bezug und fühlen sich eher verloren.

Die Werte beziehen mittig Stellung, fühlen sich groß und mächtig, warm. Sie glühen, sie könn(t)en wärmen – und sie würden gern die sich nicht gesehen Fühlenden wärmen und ihnen näherkommen. Das wehren die sich nicht gesehen Fühlenden ab. Sie vertragen keine größere Nähe, wollen mit den Werten nichts zu tun haben.

Nun nehmen wir die Macht dazu.

Sie platziert sich direkt vor einer der Türen, mit dem Rücken zu ihr, gegenüber den Werten. Dort fühlt sie sich wohl. Sie nimmt die Verantwortung, steht dazu. Sie sorgt dafür, dass niemand raus kann und niemand rein.

Am stärksten wirkt sich dieses Element auf die sich nicht gesehen Fühlenden, die z.T. auch als die Vergessenen bezeichnet werden, aus: Sie sind absolut fasziniert, nichts Anderes ist mehr wichtig.

Die SPD verkündet, dass sie durch das neue Element deutlich verunsichert ist: Alles sei so fragmentiert, so ohne Zusammenhang. Wer steht hier wofür? Wer ist sie selbst überhaupt?

Dem Wir kommt die Macht nicht allein als die Braune Macht vor. Sondern als die Macht der klaren Worte ist, die Macht, die Wort hält, sich nicht wie ein Fähnlein im Wind verhält.

Als wir das Neue mit dazu nehmen,

stellt es dich ebenfalls ziemlich mittig auf, mit dem Rücken zu den Werten, ausgerichtet am ehesten Richtung SPD, aber nicht ganz. Es schaut eher an der SPD vorbei, in Richtung einer weiteren Tür.

Am meisten Unterschied macht dieses neue Element auf das Wir: Noch weiß Wir nicht so recht, was das Neue ist/wird, aber es schöpft Hoffnung. Für die sich nicht gesehen Fühlenden erscheint das Neue überflüssig.

Nun lassen wir Bewegungen zu:

Die sich nicht gesehen Fühlenden steuern schnurstracks auf die Macht zu, wollen wie ein Hefeteig an ihr kleben. So fühlen sie sich wohl. Der Macht ist das eher etwas unheimlich, aber sie lässt es zu.

Die Werte haben Rückenschmerzen. Sie holen sich einen Hocker, um sich zu setzen. Die SPD verlässt ihren Platz an der Seite des Wir und setzt sich neben ihre Werte, ebenfalls auf einen Hocker.

Die SPDler nähern sich dem Wir an. Diese beiden Personengruppen richten sich am Neuen aus. Das Neue verkündet, es stehe für große Intensität, Konzentration, Verdichtung, „eine Rosskur, eine Menge Glaubersalz“ – und für Verlangsamung und ganz genaues Hinschauen und Hinhören.

Die SPDler nähern sich dem Wir an. Diese beiden Personengruppen richten sich am Neuen aus. Das Neue verkündet, es stehe für große Intensität, Konzentration, Verdichtung, „eine Rosskur, eine Menge Glaubersalz“ – und für Verlangsamung und ganz genaues Hinschauen und Hinhören.

Hier beenden wir die Aufstellung und gehen in die Reflexion.München abend SPD

Folgende Gedanken werden laut:

„Ich finde das Bild tröstlich: Die SPD beschäftigt sich mit ihren Werten.

Ich war wegen des Themas zuerst skeptisch. Jetzt bin ich verblüfft. In der Rolle des Neuen habe ich verdichtete Energie erlebt wie noch nie in einer Aufstellung. Das berührt mich tief.“

„Es war faszinierend zu sehen, wie sich die sich nicht gesehen Fühlenden der Macht an den Hals geworfen haben. Wobei es egal ist, wofür die Macht steht, was sie tut – das Trump-Phänomen…“

„Ich fand das Ganze tief traurig. Es hat einfach nur die traurige Realität gespiegelt. Es gab nichts Neues, keinen Paradigmenwechsel.“

„Ich dagegen bin berührt – von der Verbindung zwischen Wir und dem Neuen. Das stimmt mich hoffnungsvoll. Das ist wie ein paralleler Weg. Es geht um Energie, ums Verdichten – und braucht noch Zeit.

Traurig fand ich, dass sich die SPD am Ende gesetzt hat. Die hätte sich die Macht nehmen können!“

„In der Rolle der Macht habe ich mich erstaunlich wohlgefühlt. Das macht mich traurig und nachdenklich…“

„In der Rolle des Wir habe ich die Macht zuerst neutral bzw. als Halt-gebend gesehen. Aber alle dachten gleich, dass es die rechte Macht ist. Das hat uns z.T. auf die falsche Fährte /Interpretation gebracht.

Das Neue hat mich angesprochen und fasziniert. Da kann sich jetzt endlich was auftun, was wichtig ist. Da wird was geboren. Tief verwurzelt mit den inneren Werten (Lebenssinn?) und gezogen vom Kosmischen/dem Schöpfer/….?

Gefragt habe ich mich: Warum nimmt die SPD das nicht wahr? Gefreut hat mich, die SPDler an meiner Seite zu wissen.“

„In der Rolle der Werte habe ich mich gefreut, als die SPD zu mir gekommen ist und sich zu mir gesetzt hat, auf einer Ebene.

Erschrocken bin ich über die Vergessenen, die so nah der braunen Wand waren, wie in den 30er Jahren…“

„In der Rolle der SPD wurde ich zuversichtlich, als der Vertreter der Werte über seine Position auf dem Hocker sprach: Ja, das ist gut, wenn wir hier sitzen und uns endlich wieder begegnen und miteinander sprechen, daraus könnte etwas werden…“

„Als SPDler habe ich mich schwach gefühlt, am Ende, ohne Ideen. Das mit der Rosskur hat mich angesprochen. Ja, es braucht Veränderung, und ich bin bereit dafür!“

„Als sich nicht gesehen Fühlende bin ich total erledigt. Ich bin ja schon in vielen Aufstellungen gestanden, und das war eine der schwierigsten emotionalen Erfahrungen, die ich in Aufstellungen je hatte. Am meisten hat mich die absolute Beziehungslosigkeit zu allen anderen Elementen außer der Macht erschreckt.

Das hatte eine Wucht, es hat mich so an die deutsche Geschichte erinnert, es ist erschreckend, gruselig…“

„Für mich war das schwer zu nehmen, wie sich die sich nicht gesehen Fühlenden der Macht an den Hals geworfen haben. Und als die Werte der SPD sich den Hocker geholt haben, dachte ich, die steigen da drauf, um mehr auf sich aufmerksam zu machen. Und dann setzen die sich nieder… Froh war ich über das Neue. Immerhin ist es da!“

„Ich kann die Werte besser schätzen, wenn sie nicht auf einem Podest stehen. Das ist wie ein Plädoyer für leise Töne und Langsamkeit!“

„Das Neue war neutral, nicht vorbelastet. Es ist ein Kristallisationspunkt, braucht viele, viele Schritte. Und die braune Wand gehört angeschaut!

Und die SPD muss sich Zeit nehmen für die Auseinandersetzung mit ihren Werten. Erst dann kann sie in Aktion treten!“

„Ich habe das alles nicht überraschend, sondern eher realistisch gefunden. Als wäre das Neue ein Spiegel: Was machen wir eigentlich?

Zu den Werten fällt mir ein Bild ein: Ein Diamant bleibt auch ohne Fassung wertvoll. So ist es mit den Werten auch.

Zu den sich nicht gesehen Fühlenden, die ins Scheinwerferlicht der Macht drängen, fällt mir die AfD ein. Das ist erschreckend.

Und zum Thema Neues gebären habe ich gemischte Gefühle: Gebären kostet viel Kraft, und wertvolles Altes geht verloren. Ich finde, das sollte organisch geschehen.

Insgesamt: Es menschelt – unter Menschen, das ist der ganz normale Wahnsinn der Parteiarbeit…“

„Zu den sich nicht gesehen Fühlenden: Weil sie sich machtlos fühlen, suchen sie die Macht.

Mit den Werten der SPD konnte ich zu Beginn nichts anfangen. Es ist gut, dass die jetzt runter vom Podest sind. Es geht um Besinnung! Von der Starre zur Besinnung. Die sind ja vielleicht noch aus der Weimarer Republik. Das braucht Zeit!“

„Für mich war der schwierigste Moment die anfängliche Starre der Werte. Wie Goldbarren, die im Safe bleiben müssen. Ich finde, Werte sollten wachsen, im Dialog. Ich war froh, dass sie sich mit der SPD hingesetzt haben.

Was normal ist und trotzdem natürlich schwierig: Wer nicht gesehen wird, macht etwas. Ich z.B. kenne ein Mädchen, das sich das Sammeln von Mercedes-Sternen zum Hobby gemacht hat…“

In der Schlussrunde gab es folgende Kommentare:

„Niedersetzen bedeutet auch Erdung, Boden unter den Füßen haben.“

„Ich will genauer hingucken, was die sich nicht gesehen Fühlenden brauchen. Das ist anstrengend, ja. Aber trotzdem.“

Macht an sich ist nicht negativ, die schützt auch.“

Die Realität des Lebens war spürbar im Raum.“

„Es braucht Zeit und Geduld. Und das Neue gibt mir Hoffnung.“

Ich hatte den Eindruck, dass wir drei Prozesse gesehen haben, die zeitgleich parallel zueinander ablaufen: Die sich nicht gesehen Fühlenden, die sich nach der Macht sehnen; die SPD, die mit ihren Werten eine Verschnaufpause und Besinnung braucht; und das Neue, auf das sich Wir und SPDler ausgerichtet haben, und das was mit Achtsamkeit zu tun zu haben scheint…“

„Wir brauchen Dialogfähigkeit nach innen und nach außen. Und Gelassenheit. Ich bin überzeugt: Diese Aufstellung hätte vor 100 Jahren genauso ablaufen können: Mit Menschen, die sich nicht gesehen fühlen und nach Macht streben; mit Parteien, die Besinnung auf ihre Werte brauchen; und mit Menschen, die von Neuem fasziniert sind und sich danach sehnen.

Es geht einfach darum, ruhig zu arbeiten. Neues braucht Zeit!“

„Ich habe zum ersten Mal eine Aufstellung erlebt, hatte keine Vorstellung davon. Meine Sorge zu Beginn war, dass es um klein–klein gehen würde. Dass ich ganz viel reagieren, tun müsste. Das hat sich aufgelöst.

Was mir Mut gemacht hat: Die Abläufe hier haben das tagtägliche Leben gespiegelt. Es geht um Besinnen, Überprüfen.

Das Neue konnte ich noch nicht so spüren. Da kann ich mir nichts drunter vorstellen. Vielleicht braucht das mehr Zeit? Wie, wohin soll sich alles verändern?“

„Es war beeindruckend. Der Schlüssel war für mich, dass es drei Prozesse gleichzeitig waren. Das bringt mich raus aus der Hoffnungslosigkeit. Entscheidend sind: Beziehungen! Das Aufeinander-Zugehen ist anstrengend, das kann auch zum Burnout führen. Das geht nur dosiert.“

„Für mich war die Macht nicht definiert, neutral. Meine Frage: Welche Art von Macht wäre wichtig für die sich nicht gesehen Fühlenden, damit es zu einem konstruktiven Prozess kommt?

Vielleicht ist es notwendig, dass die SPD zusammensackt, damit sie eine Beziehung zu ihren Werten aufnimmt…“

„Ich hatte heute ein Coaching-Gespräch, am Telefon. Mir wurden klare Fragen gestellt, die hilfreich waren. Ich habe mich gesehen gefühlt. Das Neue liegt in der Achtsamkeit, im Anschauen, Hinschauen, Hinhören…“

Überlegungen in den Tagen danach:

„Heute, am Tag nach der Aufstellung, zwei Medienmeldungen: Hildegard Hamm-Brücher ist verstorben. Beim Hören des Nachrufs ist mir erst klargeworden, dass sie gar nicht mehr FDP-Mitglied war, dass sie die Partei verlassen hatte, weil die ihre Werte nicht mehr gelebt hat. Das hat mich aufhorchen lassen.

Zweite Meldung: Die nächtliche, längste Debatte im Landtag um das neue Integrationsgesetz. Da ging es wieder um Werte. Sprich: Der Abend hat mich enorm für das Thema Werte sensibilisiert…“

„Der Abend hat mich enorm beschäftigt und beschäftigt mich immer noch sehr stark. Seit über 25 Jahren mache ich nun Basisarbeit in der SPD und ich frage mich wirklich, ob und wie es möglich ist, zu den sich nicht gesehen Fühlenden Kontakt und Beziehung aufzunehmen, ohne seine Werte zu verraten. Ich bin sicher, das wird noch lange in mir wirken. Macht mir aber auch alles Angst – vor allem die Nähe zur braunen Wand und der Wunsch, an der Macht zu partizipieren, komme, was da wolle.“

„Es wäre m.E. sehr wichtig, die bei den sich nicht gesehen Fühlenden aufkommenden Gefühle in Bezug auf die Macht zu erfassen. Das ist nämlich das, was es braucht.“

„Es gab verschiedene Ebenen in der Aufstellung: Neues, Werte-Ebene, Auseinandersetzung mit dem Thema Macht.

Die Macht wird erst mächtig, wenn man sie mächtig macht. Sie wird erst braun, wenn wir ihr das Braune zuweisen. Es ging den sich nicht gesehen Fühlenden nicht um braune Werte, sondern um Halt, Schutz, Nähe, Geborgenheit, Wärme…. Kuscheln. Das sind nicht braune Attribute, sondern Bedürfnisse!

Für mich taucht die Frage auf, ob die SPD oder wer alternativ den sich nicht gesehen Fühlenden diese Bedürfnisse erfüllen könnte? Könnte das Neue hier einen Ansatz gebären? Oder eine erneuerte, sich auf ihre Werte besinnende SPD?

Es könnte auch die Macht des eigenen Willens sein, Willensstärke. Selbstbewusstsein, Selbstachtung gepaart mit Achtsamkeit, Wertschätzung, Augenhöhe …. – spannend!“

Mehr unter www.politik-im-raum.org

 

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